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- Title
Die Suche nach Ethnographica und die kunstsinnigen Kannibalen der Südsee. Oder: Was die koloniale Nostalgie im Kaiserreich mit der kolonialen Aphasie heute zu tun hat.
- Authors
Habermas, Rebekka
- Abstract
Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, wie die überraschend aktuell anmutenden Klagen darüber, dass viele Ethnographica in den Kolonien verloren gingen und ganze Völker im der außereuropäischen Welt aussterben würden, die von Ethnologen aber auch Malern wie Emil Nolde um 1900 allenthalben erhoben wurden, zu verstehen sind und welche Folgen sie zeitigten. Argumentiert wird, dass es sich dabei um eine Form von „kolonialer Nostalgie" (Renato Rosaldo) handelte, welche als Teil der europäischen Krise der Moderne um 1900 gesehen werden kann. Ein Effekt dieser umfassenden Nostalgie war die Entstehung eines Ethnographica- und Naturaliamarktes, welcher wiederum auf kolonialen Strukturen basierte und diese auch stärkte. Gleichzeitig waren es aber just diese Sammelleidenschaft und die damit verbundene Vorstellung der Rettung von vermeintlich Urtümlichem, die Pate standen bei der Entstehung der modernen Malerei. Emil Nolde und andere moderne Maler/innen sammelten Ethnographica und integrierten deren Motive in ihre Bilder. Diese spezifische Rezeption des Außereuropäischen kann aber genauso wenig wie die Untergangsklagen im Sinne einer Kolonialkritik verstanden werden. Vielmehr trug die Art, wie das Außereuropäische von der sich formierenden modernen Malerei rezipiert wurde, auf geradezu paradoxe Art und Weise zu der heute in der Restitutionsdebatte allenthalben beklagten kolonialen Aphasie bei. The article focuses on the question of how to understand the surprisingly topical complaints that many ethnographica were lost in the colonies and that entire peoples outside Europe were dying out , who were raised everywhere by ethnologists but also painters like Emil Nolde around 1900. It is argued that this was a form of „colonial nostalgia" (Renato Rosaldo) which can be seen as part of the European crisis of modernity around 1900. One effect of this comprehensive nostalgia was the emergence of an ethnographica and naturalia market based on and strengthening colonial structures. At the same time, however, it was precisely this passion for collecting and the associated salvage paradigm that inspired the emergence of modern painting. Emil Nolde and other painters collected ethnographica and integrated their motifs into their paintings. And yet this specific reception of the non-European cannot be understood as a critique of colonialism. The way in which the non-European was integrated into modern painting contributed in an almost paradoxical way to the colonial aphasia that is lamented today in the current debate on restitution.
- Subjects
EUROPEAN history; COLONIES; NOLDE, Emil, 1867-1956; MODERN painting; PAINTING collecting
- Publication
Historische Zeitschrift, 2020, Vol 311, Issue 2, p351
- ISSN
0018-2613
- Publication type
Article
- DOI
10.1515/hzhz-2020-0031